ich glaube eher, dass der Tod einer Mutter (manchmal vielleicht auch der des Vaters) eine ganz andere Sache ist... KEIN Tod wird uns Menschen je so nahe gehen... und uns sooo durcheinander bringen, wie der Tod unserer Mutter. Der Tod der Frau, die uns das Leben geschenkt hat. Durch sie leben und atmen, denken und fühlen wir. KEIN anderer Mensch hat je für seine Kinder soviel getan, wie es eine Mutter tut.
Den Tod einer Mutter zu verarbeiten, das ist für uns eine ganz besondere Aufgabe. Meist verstehen wir uns selbst nicht, wie wir in dieser Situation reagieren.
Ich hätte auch niemals gedacht, wie ich auf den Tod meiner Mutter reagieren würde... wie anders, als bei dem Tod meines Vaters.
Als mein Vater verstarb brach ich seelisch und körperlich zusammen. Ich schrie und wollte etwas (be-)greifen, was nicht zu (be-)greifen war. Es hat lange gedauert, bis ich den Tod verkraftet habe. Es war zudem genau der Tag des 18.Geburtstages meiner Tochter.
Meine Mutter kam 7 Tage vor ihrem Tod mit der Diagnose Magenkrebs in's Krankenhaus. Sie war eigentlich noch sehr munter. Sie rief mich an, und ich kam mit meinen beiden Kindern zu Besuch. Als Todeskanditat sah ich sie nicht... denn sie war guter Dinge. Sie war auch relativ fröhlich und hatte auch mal einen Scherz auf den Lippen. Wie gesagt: der Tod war in meinen Augen noch weit, weit weg.
Wir sprachen auch über ihre Krankheit, und darüber, dass sie keine Chemo machen wolle. Und ich versprach ihr, mich um sie zu kümmern.
Dann fuhren wir wieder nach Hause und ich ging am nächsten Tag arbeiten. Allerdings telefonierten meine Mutter und ich jeden Tag sehr lange miteinander. Während dieser Gespräche wurde mir irgendwann klar, dass es ein Abschiednehmen war. Ein Verzeihen, für alles, was zwischen uns irgendwann einmal schief gelaufen war... und ein Bestätigen der Worte: "Ich liebe Dich!"
Samstags nach der Arbeit fuhr ich wieder zu ihr, und da lag sie schon sehr geschwächt. Ich ließ sie in ein anderes Zimmer verlegen, wo sie (wo wir) mehr Ruhe hatten. Die folgenden Tage verbrachte ich neben ihrem Bett auf dem Stuhl sitzend, bis auch das Nebenbett frei wurde, wo ich mich auch mal ausstrecken konnte.
Ich nahm mir bei meinem Chef frei und bemühte mich, meine Brüder alle an das Sterbebett zu bekommen.
Keine Minute wich ich meiner Mutter von der Seite.
Meine Mutter hatte sich gewünscht, dass ich - so wie ich es bei meinem Kind, und bei meinem Vater tat - die Trauerfeier organisieren und die Trauerrede halten würde. Als ich nun an ihrem Bette saß, entwarf ich die Trauerrede und las meiner Mutter vor, was die wenigsten Menschen noch lebend erfahren. Meine Mutter konnte nicht mehr sprechen, aber sie drückte meine Hand, so fest sie konnte.
Als ich den 4.Tag an ihrem Bett saß und ihre Hand streichelte, bemerkte ich ein stärkeres Atmen. Da wusste ich, dass der Zeitpunkt nun gekommen war, wo sie gehen würde. Aber ich bemerkte auch, dass sie nicht gehen wollte. Sie klammerte sich an das leben.
Ich nahm sie in den Arm und sagte zu ihr, dass sie gehen könne... mein Bruder, mein Sohn und mein Vater würden sicher schon warten. Ich sagte ihr, dass sie ruhig gehen könne, es sei ok. Dann drückte ich ihren Kopf an den meinen, und dann hörte ich dieses Aufatmen.... meine Mutter war gegangen.
Lieber Hank, auch die körperliche Hülle meiner Mutter lag da, wie sie gegangen ist: kalt, weiß, geöffneter Mund, halb geöffnete Augen. Eigentlich kein schöner Anblick.
Aber, lieber Hank, Du musst Dir eines sagen: das, was da im Krankenhaus auf dem Bett liegen bleibt, ist die Hülle, die der eigentliche Mensch abstreift, wenn er eine andere Dimension betritt. DAS ist nicht Deine Mutter, sondern der Anzug, den sie trug, als sie auf Erden wandelte.
Sieh Deine Hosen und Jacken an. Angezogen sehen sie gut aus.... lässt Du sie aber irgendwo herum liegen, dann sind sie eine leere Hülle - unschön anzusehen.
Dass der Mund und die Augen geöffnet waren, ist der Ursprung der gesetzlichen Schwerkraft. Früher hat man die Augen zu gedrückt und den Mund mit einem Tuch nach oben gebunden. Das macht man heute nicht mehr.
Lieber Hank, Du musst lernen, Deine Mutter in der Schönheit zu sehen, die den Menschen "Mama" ausgemacht hat... nicht die alte, kranke, fahle Haut, auch nicht die körperliche Größe, nicht das Gewicht, nicht das, was sie an Kleidern trug. Sondern die Schönheit der Liebe, der Kraft, der Ausdauer, des Verständnisses, des Lachens... DAS ist Deine Mutter!!! Und nur so sollst Du sie sehen.
Betrachte sie niemals mehr materiell... betrachte sie mit dem Herzen.
Ich glaube, dieses materielle Betrachten hindert Dich daran, richtig Abschied von Deiner Mutter zu nehmen. Lass sie frei, dann wirst Du wahrscheinlich diesen letzten Hauch auch erleben.
Übrigens halte ich den Gang zum Friedhof sowas von unwichtig.... Wem ist denn damit gedient? Deine Mutter lebt in Deinem Herzen weiter. Den Körper braucht sie nicht mehr.
Aber Du wirst niemals ohne Deine Mutter sein.
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »ChrissiBasti59« (15. Februar 2014, 08:29)